Mithilfe eines neu entwickelten dreidimensionalen Modells zur Untersuchung der Regeneration von Nervengewebe in der Nase haben Forscher der Tufts University School of Medicine und der Graduate School of Biomedical Sciences (GSBS) gemeinsam mit Kollegen entdeckt, dass eine Art von Stammzellen, die bislang als ruhend galt, möglicherweise eine wichtigere Rolle bei der Erhaltung des Geruchssinns spielt als ursprünglich angenommen. Im Gegensatz zu Zellen im zentralen Nervensystem verfügen sensorische Neuronen in der Nasenhöhle über eine bemerkenswerte Fähigkeit, sich trotz nahezu ständiger Einwirkung der Außenwelt während des gesamten Lebens zu regenerieren.
Geruchsinn und Stammzellen
Virusinfektionen wie COVID-19, die Belastung durch Giftstoffe oder sogar der Alterungsprozess selbst können die Funktion oder die Vermehrungsfähigkeit dieser Zellen beeinträchtigen, was zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust des Geruchssinns führen kann. Das Forscherteam entwickelte ein neues, einfach herzustellendes dreidimensionales Mausmodell für Geruchszellen oder ein Organoid, um Wissenschaftlern zu helfen, besser zu verstehen, wie Neuronen in der Nase kontinuierlich gebildet werden und warum dieser Prozess bei Krankheiten und im Alter nachlassen könnte. Ihre kürzlich in Cell Reports Methods veröffentlichte Studie nutzt dieses Mausmodell, um zu zeigen, wie zwei Arten von Stammzellen in der Nase, die sogenannten horizontalen Basalzellen (HBCs) und globösen Basalzellen (GBCs), miteinander kommunizieren und sich gegenseitig unterstützen, um neues Geruchsnervengewebe zu entwickeln.
„Unsere Forschung deutet darauf hin, dass diese beiden Stammzellen voneinander abhängig sind“, sagt Brian Lin, leitender Autor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department of Developmental, Molecular and Chemical Biology. „Eine Art, von der wir dachten, dass sie weitgehend inaktiv ist – die HBCs – könnte tatsächlich eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Produktion neuer Neuronen und der Reparatur von geschädigtem Gewebe spielen.“
Anhand dieses Modells identifizierte das Team eine spezifische Subpopulation von HBCs, die sich durch die Produktion des Proteins KRT5 auszeichnet und aktiv die Bildung neuer Riechnerervenzellen unterstützt. Die Forscher beobachteten, dass diese speziellen HBCs eine Schlüsselrolle bei der Bildung der Organoide spielen, und stellten fest, dass die Bildung neuer Nervenzellen deutlich beeinträchtigt war, wenn diese Zellen selektiv aus den Organoidkulturen entfernt wurden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Stammzellen, die einst als ruhend galten, eine wesentliche Rolle im Regenerationsprozess spielen.
„Wir haben auch Zellen von Mäusen unterschiedlichen Alters untersucht und sie im Modell gezüchtet“, sagt Lin. Die Forscher stellten fest, dass die Fähigkeit der Zellen älterer Mäuse, neue Neuronen zu bilden, abnahm. Sie glauben, dass dies auf eine Abnahme der GBC-Population mit zunehmendem Alter zurückzuführen ist, aber müssen noch mehr Arbeit leisten, um diese Hypothese zu überprüfen und gegebenenfalls Wege zu ihrer Verjüngung zu entwickeln.
Nächster Schritt: ein menschliches Organoid
Die Hauptautorin der Studie, Juliana Gutschow Gameiro, eine ehemalige Doktorandin an der GSBS, kam von der State University of Londrina in Paraná, Brasilien, an die Tufts University. Lin sagt, sie habe sich intensiv darum bemüht, ein Modell zu entwickeln, das in Labors mit begrenzten finanziellen Mitteln und Ausrüstung leicht zu erstellen ist. Da der Verlust des Geruchssinns mit COVID-19 sowie mit Parkinson und anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht wird, haben in den letzten Jahren viel mehr Forscher aus verschiedenen Bereichen begonnen, olfaktorische Epithelzellen zu untersuchen. Die Forscher wollten ein einfach zu verwendendes Modell entwickeln, damit auch Nicht-Stammzellbiologen und Forscher mit begrenzten Ressourcen in ihren Labors besser verstehen können, wie Geruchszellen regenerieren und was dazu führt, dass dieser Prozess nachlässt oder ganz ausbleibt.
Das ultimative Ziel ist es, dieses Mausgewebemodell olfaktorischer Sinnesneuronen als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines menschlichen Organoids zu nutzen, mit dem Medikamente zur Behandlung von Menschen mit stark vermindertem oder verlorenem Geruchssinn getestet werden können. Organoide machen präklinische Studien schneller, kostengünstiger und potenziell effektiver als die Verwendung ganzer Tiere oder bestehender menschlicher Zellkulturen. Organoide wurden bereits für Lungen, Nieren und andere Organe entwickelt, jedoch noch nicht für menschliches Riechgewebe.
„Es ist schwierig, reines Riechgewebe von Menschen zu gewinnen“, sagt Lin. Die Patienten werden betäubt und ein Bürstchen, das einem COVID-Teststäbchen ähnelt, wird tief in die Nasenhöhle eingeführt. Anders als im Mausmodell lassen sich die dabei gewonnenen menschlichen Atemwegsstammzellen und Riechstammzellen nur schwer voneinander trennen. Die nächste Herausforderung für das Forschungsteam besteht darin, eine einfache und kostengünstige Technik zu entwickeln, um die menschlichen Riechstammzellen abzutrennen und sie im Labor zum Wachsen zu bringen.